Nachhaltigkeit – Lohas und Umweltbewusstsein

Der Begriff der „Nachhaltigkeit“ ist derzeit in aller Munde und er wird uns wohl in Zukunft noch öfter begegnen. Für immer mehr Bereiche wird eine „nachhaltige Entwicklung“ eingefordert. So hat der Nachhaltigkeitsgedanke bereits ein weites Themenspektrum in Umwelt, Politik, Wirtschaft, Ethik und auch im sozialen Umfeld durchzogen. Dabei geht es zumeist um einen schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen bzw. um Handlungsmuster die auf Generationengerechtigkeit und globale Gerechtigkeit ausgelegt sind.

Lohas & Nachhaltigkeit

Als Leitgedanke hinter den Nachhaltigkeits-Bestrebungen steht die Idee von der zukunftsfähigen Entwicklung („sustainable development“) der Menschheit. Es ist somit eine Philosophie oder allgmeine Lebenseinstellung, die unsere Erde zukunftsfähig machen soll. Das heißt, in allen Bereichen des menschlichen Lebens müssen jene Entwicklungen vorangetrieben werden, welche die derzeitigen Bedürfnisse nach unversehrter Umwelt, sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlichem Wohlstand befriedigen können, ohne gleichzeitig die Lebensumstände und Handlungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen bzw. anderer Menschen einzuschränken.
Mit der Nachhaltigkeits-Diskussion („sustainability“) sollen allgemein umwelt- und sozialverträgliche Handlungsalternativen aufgezeigt und durchgesetzt werden, um eine ausreichende Lebensqualität der Weltbevölkerung jetzt und in Zukunft sichern zu können, da durch fortschreitende Umweltverschmutzung, Ressourcenausbeutung und weitreichende Armut dieses Ziel in Frage gestellt werden muß. Damit besitzt Nachhaltigkeit natürlich das Potential zu einer globalen Worthülse zu verkommen, sofern die Umsetzung nicht rein regional mit konkretem Handeln beginnt. Die reine Begrifflichkeit sollte also immer durch inhaltliche Bezüge und konkrete Handlungsempfehlungen untermauert werden. Daneben wird ebenfalls noch allzu leicht übersehen, daß bei nachhaltigen Konzepten vielfach erst in der Rückschau über die tatsächliche Nachhaltigkeit entschieden werden kann.
Aber wie dem auch sei, solange Unternehmen und Verbraucher teilweise umdenken und die betriebswirtschaftliche und gesellschaftliche Notwendigkeit von nachhaltigen Entwicklungen begreifen und fördern, kann es letztlich egal sein, ob Nachhaltigkeit nun ein zukünftiger „Megatrend“ ist oder nur ein weiteres kurzlebiges „Zeitgeist“-Phänomen. Gut, der Begriff wird derzeit inflationär verwendet und jedem neuen Produkt bzw. jeder PR-Meldung wird das Etikett „nachhaltig“ verpasst. Das heißt aber nicht automatisch, daß mit den meisten „nachhaltigen Konzepten“ keinerlei Verbesserungen verbunden sind.
Mit der starken medialen Thematisierung des reinen Schlagworts einhergehend, werden auch die Konsumenten gezwungen sich mit Klimaveränderungen und Raubbau an der Natur auseinander zu setzen. Mittlerweile spiegeln sich Umweltbewußtsein und nachhaltige Entwicklungen bereits im ökologisch orientierten Konsumverhalten wider. Es gibt sogar schon ausdifferenzierte Kundensegmente, die sich ganz bewußt für Nachhaltigkeit entschieden haben und die es durchaus interessiert, unter welchen wirtschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen ein Produkt gefertigt wurde, und ob Hersteller ihrer sozialen Verantwortung dabei gerecht werden.
Als Vorreiter wurden die sogenannten „Lohas“ identifiziert. LOHAS steht als Abkürzung für „Lifestyle of Health and Sustainability“ (Lebensstil der Gesundheit und Nachhaltigkeit). Mit ihnen ist die Nahversorgung wieder gesellschaftsfähig geworden, denn dieser Konsumententyp möchte mit gutem Gewissen einkaufen können und ein vertrauensvolles Verhältnis zum Hersteller bzw. zum Handelsplatz pflegen. Eine Einkaufsphilosophie im Spannungsfeld von Genuss, Nachhaltigkeit und regionaler Orientierung. In der Lohas-Bewegung vereint sich die Nachfrage nach Wellness-, gesundheitsfördernden- und Bio-Produkten in Verbindung mit Umweltorientierung und ressourcenschonender Herstellung. Dabei sind die neuentdeckten Lohas nur auf den ersten Blick eine Neuformulierung des zwischenzeitlich angestaubten Ökofreaks, der aus reinen Naturschutzaspekten im Ökoladen seine Waschnüsse kauft. Lohas sind keine klar abgrenzbare Zielgruppe, eher ein Trend bzw. ein sich wandelndes Ernährungsverständnis und Konsumverhalten in unserer Gesellschaft. Wer Lohas relativ gezielt ansprechen will, muss auf Qualität setzen und auf ökologisch kontrollierte Lebensmittel. Bio-Produkte, Health Food und ein umfangreiches Frische-Sortiment bieten beste Voraussetzungen, allerdings sehen Lohas sich selbst nicht als Anhänger eine Öko-Bewegung. Sie sind Biokäufer ohne sich primär dem Umweltschutz-Gedanken verpflichtet zu haben. Lohas fühlen sich eher der eigenen Gesundheit verpflichtet, wenn sie zu Lebensmitteln aus ökologisch kontrolliertem Anbau greifen. Sie wollen Sicherheit und Transparenz, d.h. möglichst unbelastete Ware die schmeckt und qualitativ hochwertig ist. Ein Bio-Sortiment, das die Bedürfnisse dieser Verbrauchergruppe abdeckt, sollte verstärkt auf Genuss, Regionalität, Bio und gesunde Convenience-Produkte setzen. Hochwertige, gesunde Fertigprodukte bzw. Convenience-Artikel sind nämlich nicht unbedingt ein Widerspruch im Käuferverhalten der Lohas. Sie sind Besserverdiener und allgemein eine kaufkräftige Zielgruppe mit begrenzter Freizeit, die aufgrund ihres Bildungsstandes ganz bewusst als aufgeklärte und verantwortungsvolle Verbraucher auftritt. Sie sind Individualisten bzw. Ich-bezogene-Genussmenschen, die weder reaktionär noch anachronistisch eingestellt sind, deshalb können sie einerseits zum Kaffee mit TransFair bzw. Fairtrade-Siegel greifen, andererseits sich aber auch für ein Convenience-Produkt mit Wellness-Charakter entscheiden. Vorausgesetzt, es besitzt einen geringen Fettanteil, ist reich an Vitaminen und Ballaststoffen und verzichtet auf Geschmacksverstärker und Konservierungsstoffe. Mit dem Lohas-Lebensstil geht eben kein Verzicht auf Luxus einher, solange sich die Kaufkraft und Konsumfreude annähernd in ethische Bahnen lenken läßt. Man darf wohl ungestraft konstatieren, dieser unasketische Kunde geht gerne mit Verantwortung und gutem Gewissen einkaufen und dafür greift er auch tiefer in seinen zumeist gut gefüllten Geldbeutel.
Selbstverständlich haben auch Hersteller und Handel reges Interesse an konsumfreudigen Käuferschichten und so haben sie das Potential dieser Zielgruppe früh erkannt und auf die Nachfrage reagiert. Immerhin sind Lohas die idealen hybriden Konsumenten, denn sie vereinen das scheinbar unvereinbare, Gesundheitsdenken und Genuss ohne Reue. Sie schrecken auch nicht vor Großhandelsketten und Supermärkten zurück, wie die althergebrachten Ökos.
Und für diesen Kundenstamm erweitern auch große Handelsunternehmen gerne den Regalplatz, besonders dann, wenn das allgemeine Umfeld durch Klimadebatte und Gammelfleisch-Skandal sowieso für Bio-Produkte günstig erscheint. So wird der Bio-Boom gezielt gefördert. Die Aufmerksamkeit wird verstärkt auf regional und lokal erzeugte Waren gelenkt. Fairtrade-Gütesiegel garantieren faire Erzeugung bzw. fairen Handel, das MSC-Logo (Marine Stewardship Council) signalisiert beim Einkauf, daß es sich hierbei um Seefische und Meeresfrüchte aus bestandserhaltender Fischerei handelt. Man darf sich deshalb auch nicht wundern, daß in immer mehr deutschen Städten Bio-Supermärkte aus dem Boden gestampft werden, die ihre Öko-Produktpalette trendgemäß in angenehmem Ambiente präsentieren.
Inwiefern nun aber die Lohas mit ihrer ethischen Einkaufsphilosophie auf lange Sicht unsere Welt zu retten vermögen, oder auch die Scuppies (Socially Conscious Upwardly-Mobile People), bleibt erstmal dahingestellt. Transfair-Tee bzw. Bionade trinken und abwarten. Es kann zumindest nicht ganz verkehrt sein, bei Kaufentscheidungen irgendwie an die Umwelt zu denken, denn auch mit kleinen Schritten erreicht man mitunter ein weit entferntes Ziel. Und wenn nicht, dann hat man zumindest ein halbwegs ruhiges Gewissen.