Schnäppchenjäger und preisbewusste Konsumenten

Die Schnäppchenjäger-Mentalität des deutschen Konsumenten ist gefürchtet. In nahezu keinem Land der Erde zieht sich die Rosinenpickerei durch derartig breite Bevölkerungsschichten. Immer öfter steht der Preisvorteil aber auch im Mittelpunkt der Kommunikationspolitik des Handels. Da wundert es niemanden, daß in Deutschland seit Jahren lebhaft und kontrovers über die Auswirkungen von Rabattaktionen und Sonderangeboten auf Verbraucherverhalten und Handelsunternehmen diskutiert wird.

Der Kundentyp des Schnäppchenjägers

Der zunehmende Preiswettbewerb im deutschen Einzelhandel führt seit Jahren zu steigendem Margendruck. Warum aber können sich die Handelsunternehmen nicht einfach dem reinen Preiswettbewerb entziehen, ist der Schnäppchenjäger ein deutsches Massenphänomen? Unbestritten, besonders bei Gütern des täglichen Bedarfs sind wir deutschen Konsumenten viel preisbewusster als beispielsweise unsere englischen und französichen Nachbarn. Man darf deshalb unterstellen, daß der Einzelhandel mit der Flut an Rabatt-Aktionen und Niedrigpreisangeboten die Preissensitivität des Konsumenten erst ausgelöst hat.
Die Spar-Mentalität ist im allgemeinen nicht eine Folge von Konjunkturschwäche oder ökonomischer Planungsunsicherheit, sondern eher eine Gewohnheit. Wer jedoch den Verbraucher zum Schnäppchenjäger erzieht, muß mit sinkenden Margen und mangelnder Kundenbindung rechnen. Eine Strategie die sich nur über den Preis definiert, verunsichert den Verbraucher und nährt Zweifel bzgl. der Preiswürdigkeit eines Produktes. Preisaktionen und plötzliche Preisstürze steigern nicht die Marken- bzw. Einkaufsstättentreue, sondern fördern eher den Schnäppchen-Tourismus. Schnäppchenjäger erlernen ihr Verhalten – durch wiederkehrende Sonderpreise erwachsen in ihnen Zweifel, ob sie beim Kauf eines Produkts zum „regulären“ Preis nicht benachteiligt werden. Sie verlieren das Vertrauen in den Preis und wechseln entweder vermehrt zu Handelsmarken, werden zu Kaufnomaden oder kaufen auf Vorrat. Durch häufige Preisaktionen entsteht keine Treue zum Unternehmen bzw. zur Marke – der Konsument bleibt im Endeffekt nämlich nur noch dem Schnäppchen treu. Deshalb gehen immer mehr Deutsche gezielt auf Schnäppchenjagd, suchen nach Billigangeboten und nutzen die Angebote der Discounter. Das Schnäppchen ist demnach ein äußerst zweischneidiges Schwert, denn Rabattaktionen und Tiefpreisschlachten locken die Kunden zwar zuverlässig an, gewinnen sie aber nicht langfristig für die beworbende Marke oder das Handelsunternehmen.
Der deutsche Verbraucher ist nicht chronisch geizig, aber er möchte sein Geld auch nicht zum Fenster hinaus werfen. Deshalb muß dem Konsumenten gezielt der Wert einer Ware vermittelt werden. Trotz Preisverfall, Discount-Boom und Schnäppchen-Mentalität wächst z.B. die Zielgruppe, die steigenden Wert auf Ernährung und Gesundheit legt. Ebenso bieten innovative, unverwechselbare Produkte und ein konsistentes Markenmanagement gute Chancen für ein ertragreiches Geschäft. Generell kann man den Trend beobachten, daß bei Produkten und Leistungen mit vermittelbarem Mehrwert, die Kaufentscheidung nur nachrangig vom Preis abhängt. Bestimmte Kundensegmente setzen wieder auf Qualität bzw. Markenprodukte. Bio-Lebensmittel erfreuen sich wachsender Beliebtheit.
Die jüngsten Lebensmittelskandale haben den Verbrauchern mit finanziellen Spielräumen die Lust auf die Schnäppchenjagd verdorben. Das Konsumverhalten der besserverdienenden Haushalte verändert sich, verunsicherte Konsumenten greifen wieder verstärkt zu Markenprodukten bzw. zur Premium-Qualität. Sie wechseln vom begrenzten Angebot der Discouter, zu Einkaufsstätten mit breitem Produktangebot, d.h. Vollsortimenter mit einer Vielzahl an Auswahl- und Vergleichsmöglichkeiten bzw. fachlicher Beratungsleistung. Gerade bei Obst- und Gemüseeinkäufen bzw. bei sensiblen Frische-Sortimenten ist dieser Trend offensichtlich.